Montag, 08. Nov 2021
In Ruggell ging vor hundert Jahren das Licht an
Spannung Die am Sonntag eröffnete Ausstellung im Küefer-Martis-Huus in Ruggell zeigt die Entstehung der Elektrifizierung in Liechtenstein auf. Auf zwei Ebenen werden Erinnerungen an die eigene Kindheit wach.
Kaum zu glauben, dass die Ruggeller Bevölkerung einst der Elektrifizierung sehr ablehnend gegenüberstand. Als anno 1911 das erste Mal über eine Stromversorgung abgestimmt wurde, sprach sich die Mehrheit mit 37:63-Stimmen dagegen aus. Ein Grund war, dass die damals sehr arme Bevölkerung Angst vor hohen Kosten hatte und wohl auch sonst der neuen Technologie sehr skeptisch gegenüberstand. Am 8. November 1921 war es dann aber auch in Ruggell so weit. Es floss erstmals Strom durch die Leitungen der Häuser. Bis auf die Parzelle Malbun war damit das Fürstentum komplett elektrifiziert. Für das Team des Küefer-Martis-Huus in Ruggell war dieses Monumentalereignis der Gemeinde Anlass, um in Zusammenarbeit mit dem Lawena-Museum eine Ausstellung zu konzipieren. Eröffnet wurde sie am Sonntagnachmittag unter dem Motto «Es wurde Licht. 100 Jahre Strom in Ruggell». Bis März 2022 stehen unter anderem fünf Abendführungen auf dem Programm, dazu gibt es weitere spannende Vorträge. So erzählt heute Abend um 19.30 Uhr Werner Büchel vom Lawena Museum die spannende Geschichte über die Elektrifizierung der Gemeinde.
Blackout als Horrorszenario
Vorsteherin Maria Kaiser-Eberle erinnerte sich bei der Eröffnungsrede an die eigene Kindheit zurück, in der Elektrogeräte alles andere als selbstverständlich waren. Sie weiss noch heute ganz genau, wie zu Hause ein Waschhalbautomat angeschafft wurde, was eine sehr grosse Erleichterung bedeutete. «Als Kinder durften wir da ja nicht reingreifen, weil das sehr gefährlich war.» Heute wiederum gleicht die Angst vor einem Blackout – also der Totalausfall der Stromversorgung – einem Horrorszenario, von dem fast täglich zu lesen ist. Und tatsächlich wird der Energiehunger auch in Liechtenstein immer grösser. Lag 1922 der Verbrauch bei 0,3 Millionen Kilowattstunden, lag er im Vorjahr bei 400 Millionen kWh. Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg innerhalb von 76 Jahren von 0,26 MWh auf 31,6. Also um mehr als das Hundertfache.
Die liechtensteinische Eigenversorgung reduzierte sich in den letzten Jahren auf gerade mal noch 25 Prozent des Gesamtstromverbrauchs. Alle relevanten Daten und Fakten werden in der auf zwei Ebenen präsentierten Ausstellung auf verschiedensten Tafeln präsentiert.
Die Ausstellung beschäftigt sich bewusst mit der technischen Entwicklung bis in die 1980er-Jahre, weil sie darüber hinaus viel zu umfangreich geworden wäre, erklärte Johannes Imana, Leiter des Küefer-Martis-Huus. Doch gerade darin liegt der Reiz, ist es doch ein Zurückerinnern an die eigene Kindheit, als noch Plattenspieler, Kassettenrekorder oder schwere Röhrenfernseher die Wohnstuben prägten. Aber selbstverständlich gibt es noch viel mehr zu entdecken, was es in den Haushalten früherer Generationen so alles Verwendung fand.
Pioniere der Elektrizität
Museumsleiter Werner Büchel hat freilich noch in früheren Zeiten gekramt. So waren die einstigen grossen Textilunternehmen Jenny in Triesen und Spoerry in Vaduz so etwas wie die Pioniere der Elektrizität in Liechtenstein. Sie bauten eigene Kraftwerke, um ihre Fabriken mit Strom zu versorgen. Anfang des 20. Jahrhunderts trieben die Gemeinden die Elektrifizierung voran. In Ruggell schloss sich schliesslich der (Strom-)Kreis. Werner Büchel wusste bei der Eröffnung auch noch eine Anekdote aus Schellenberg zu erzählen. Als es zum ersten Mal Strom in der Gemeinde gab, versammelten sich die Leute im Dunkeln im Gasthaus Krone. Als dann der Wirt den Schalter betätigte und das Licht anging, war das Erstaunen gross. Auch beim Hausherrn, der diesen Vorgang mehrmals wiederholte und immer wieder ein- und ausschaltete. Energiesparen war zu dieser Zeit noch kein Thema.