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Presseartikel

 
Donnerstag, 18. Mär 2021

Topografie des Sozialen – Kollektive Auseinandersetzung mit Raumkultur

Vorschau Das Ausstel-lungs- und Veranstaltungsprojekt des Vereins ELF mit dem Küefer-Martis-Huus und der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein dauert vom 20. März bis 11. Juli.

Wo triffst du heute Menschen? Wo findest du ausserhalb deines Zuhauses Rückzugsräume? Was sind in Ruggell Orte, an denen Gedankenaustausch stattfindet? Wo bist du ausserhalb Liechtensteins wertvollen öffentlichen Räumen begegnet? Was sind elementare Räume, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft notwendig sind? Wo funktionieren sie schon, was bräuchte es noch? Wo gibt es in Liechtenstein Raum für Experimente? Wo würdest du dir mehr Mut und Bewegung wünschen?

Der Verein ELF wird 2021 in Ruggell verbringen. Das Küefer-Martis-Huus dient dabei als «Basis-Lager». Das prozesshafte Ausstellungsprojekt wird am Samstag, den 20. März zwischen 19 und 23 Uhr gestartet und ist ab Sonntag, den 21. März, mit verlängerten Öffnungszeiten (Freitag und Samstag von 14 bis 22 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr) im Küefer-Martis-Huus zu sehen. Die Ausstellung wird mit neuen Elementen ergänzt. Begleitende Angebote werden – je nach Coronalage – fortlaufend entwickelt.

Das Themenfeld

Der Wandel von Liechtensteins Dörfern und die Veränderungen unseres Landschaftsraums sind drastisch. Nicht zuletzt spiegelt sich dies auch im Zusammenleben wider. Ortsbilder sind raschen Veränderungen ausgesetzt, die verunsichern und für emotionale Diskussionen sorgen. Entspricht das Liechtenstein, das derzeit gebaut wird, unserer Kultur? Und was macht es mit unserer Gesellschaft? Was wären die Alternativen zu den entstehenden Blocklandschaften, den Einfamilienhausteppichen und den gefühlt überall aus dem Boden schiessenden Casinos und Allerwelts-­Supermärkten? Was wird aus der Landwirtschaft, und wie viel Tourismusinfrastruktur erträgt das Alpengebiet? Auf diese Fragen sucht der Verein ELF seit 2019 keine schnellen Antworten. Vielmehr bedient sich das Projekt der Diskussion und der Bildproduktion als Methode, um im Kollektiv neue Ideen entstehen zu lassen und Denkräume zu öffnen.

Das Projektjahr 2021

2021 wandert der Verein ELF in seine dritte Fokusgemeinde Ruggell. Das Küefer-Martis-Huus dient dabei zwischen März und Juli als Basislager für die Untersuchungen der Gemeinde und des Landes. Zugleich spiegeln die verschiedenen Ebenen des Ruggeller Baudenkmals wider, was im Rahmen von Recherchen, Interviews und Veranstaltungen über die jeweiligen Ebenen der Gemeinde erfahren werden kann. Der Verein ELF sammelt spannende Perspektiven auf die Gemeinde und arbeitet sich vom Boden, den Keller, der Kanalisation und den Grundwasserströmen Schritt für Schritt hinauf bis in die Stratosphäre über dem Dorf. BesucherInnen steuern darin ihre Sicht der Dinge bei. Zugleich begegnen sie verborgenen oder unbeachteten Bereichen in ihrer alltäglichen Umgebung. Die wachsende Ausstellung speist sich aus den Recherchen des Vereins, Interviews, Dokumenten aber auch künstlerischen Weiterentwicklungen von Themen, die in den Veranstaltungen behandelt werden. Das Haus wird damit für ein halbes Jahr zum Raum für Reflexion der alltäglichen Umgebung, ihrer Veränderung und unsrem Bezug zu ihr.

Während der Verein ELF bisher der Frage nachging, ob und wie eine Gesellschaft ihren Lebensraum beeinflussen kann, wird im dritten Jahr die Frage umgedreht: Was trägt das Liechtenstein, das derzeit gebaut wird, zu einer funktionierenden Gesellschaft bei? Und was wären Alternativen? Wir leben in der Landschaft mit der vermutlich höchsten Sitzbank-Dichte der Welt, aber «s’Benkle vorem Huus» als Sinnbild einer funktionierenden Gesellschaft musste in der Regel der Garage oder dem Carport Platz machen. Der Gang durchs Dorf führt nicht mehr entlang einer mit kleinen Häuschen dicht bebauten Strasse voll geschäftigen Treibens wie vor hundert Jahren. Eher führen unsere Wege immer mehr vorbei an 30 Meter langen und 12 Meter hohen Blöcken, Garagenzufahrten für den wachsenden Autopark Liechtensteins, hohen Gartenhägen und Unmengen von Verkehrsschildern, Verkehrsinseln, Verkehrsverlangsamern und Verkehrschaos. Auch das Drumherum ist nicht mehr wiederzuerkennen. «Dort wo einst Kühe grasten, grasen heute Einfamilienhäuschen», kommentierte ein Teilnehmer einer ELF-Veranstaltung einst die Expansion der Dörfer ins Grüne.

Dieses Jahr will der Verein ELF die längst überfällige Frage stellen: Was macht das mit uns? Was für eine Gesellschaft entsteht in diesen neuen Dörfern? Was für eine soziale Landschaft wächst in dieser Petrischale unserer gebauten Umwelt und durchgeplanten Grünräume? Und umso wichtiger: Was für eine Gesellschaft wollen wir? Und was für Räume braucht diese Gesellschaft? Basierend auf diesen Fragen wird im Verlauf der kommenden Monate eine Topographie des sozialen Zusammenhalts in Form von neuen Karten für Ruggell und Liechtenstein entwickelt.

Wir leuchten nach aussen

Aufgrund der nach wie vor unsicheren Situation, was die Regeln für Kulturveranstaltungen betrifft, ist das Programm so konzipiert, dass wir flexibel auf Einschränkungen reagieren können.
Den Projektstart signalisieren nach aussen leuchtende Fenster, in denen von der Strasse aus erste Interviews zu sehen und zu hören sein werden. Parallel dazu sind im Küefer-Martis-Huus Reproduktionen alter Fotografien mit Ansichten der Ruggeller und Liechtensteiner Landschaftsräume ausgestellt. Diese können von den Besucherinnen und Besuchern erworben werden. Preis ist eine persönliche Geschichte zu dem jeweils ausgewählten Bild, die dann verschriftlicht und anstelle des Bildes in die Ausstellung aufgenommen wird. Zusammen mit den fortlaufend aufgenommenen Interviews verändert sich so das Gesicht der Ausstellung ständig und ergibt zum Schluss eine Landschaft aus lauter persönlichen Geschichten, die das soziale Gefüge unseres Lebensraums abbilden und verdichten. Über die Perspektive der Besucherinnen und Besucher auf diese Themen freuen wir uns. (eps)

Aktuelle Informationen zum Begleitprogramm auf www.kmh.li oder www.vereinelf.li