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Presseartikel

 
Mittwoch, 03. Feb 2021

Mehr Platz für Natur und Erholung

Debatte Sollen entlang des Alpenrheins nicht nur ein paar Hochwasserdämme saniert, sondern auch der Fluss aufgweitet und renaturiert werden? Vier Naturverbände luden gestern Abend zur Onlinediskussion mit mehr als 60 Teilnehmern.

Der heutige Alpenrhein zwischen Bündnerland und Bodensee liegt fast zur Gänze im Korsett einer 130 Jahre alten Flussbegradigung mit Hochwasserdämmen zu beiden Seiten. Die Bändigung dieses über die Jahrhunderte hinweg oft hochwassergefährlichen Stromes durch seine Kanalisierung hat zwar mehr Sicherheit für die Flussanrainer gebracht. Im Gegenzug hat aber auch die Naturvielfalt am und im Fluss gelitten, haben die Flussufer keine Auwälder mehr, der Fluss selbst keine Ökonischen für eine attraktive Diversität von Pflanzen- und Tierarten, ist die Zahl der Fischarten von ursprünglich 30 auf heute 17 gesunken, und auch die heutige Fischbiomasse von etwa 9 bis 10 Kilo pro Hektar könnte stattdessen auch 200 bis 300 Kilo betragen, wäre der Rhein natürlich geblieben.

Welttag der Feuchtgebiete

Vier Naturverbände – die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz LGU, die Werkstatt Faire Zukunft WFZ, die Botanisch-Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg BZG und der Liechtensteinische Ornithologische Landesverband LOV – nutzten den gestrigen «World Wetlands Day» («Welttag der Feuchtgebiete»), um einmal mehr darauf aufmerksam zu machen, dass der Alpenrhein durch eine gezielte Flussaufweitung und Renaturierung an mehreren Flussabschnitten an biologischer Qualität und Vielfalt und auch an Erholungs- und Freizeitwert gewinnen könnte. Die vor 50 Jahren, am 2. Februar 1971, im iranischen Ramsar beschlossene Feuchtgebietskonvention, die seither von 171 Staaten – darunter auch Liechtenstein und die Schweiz – ratifiziert wurde, steht an ihrem diesjährigen Jahrestag unter dem Schwerpunktthema «Feuchtgebiete und Wasser». Der Fokus liegt auf Feuchtgebieten als Quellen für sauberes (Trink-)Wasser und ermutigt zu Massnahmen, sie wiederherzustellen und ihren Verlust zu stoppen. In diesem Sinne wollen auch die vier hiesigen Naturverbände, die gestern Abend mehr als 60 interessierte Teilnehmer zu dieser Online­konfernenz begrüssen konnten, alles daran setzen, dass die von ihnen vorgeschlagenen Rheinaufweitungen bald tatsächlich Realität werden.

Bevölkerung für Renaturierung

Andi Götz von der Werkstatt Faire Zukunft WFZ verwies auf eine unlängst durchgeführte Meinungsumfrage unter 1000 telefonisch befragten Schweizer Haushalten, wonach sich fast 70 Prozent klar oder zumindest eher für Aufweitungen und Renaturierungen am Alpenrhein ausgesprochen haben. An vier Abschnitten des Alpenrheins seien die Planungen zu einer möglichen Aufweitung bereits weit fortgeschritten, so Andi Götz. Neben dem interstaatlichen Rhesi-Projekt zwischen der Feldkircher Illmündung und dem Bodensee gibt es weiter rheinaufwärts auch Renaturierungspläne für die Eschner Au Süd inklusive Buchs, für den Abschnitt um die Rheinbrücke Vaduz-Sevelen sowie weiter aufwärts im Raum Maienfeld-Bad Ragaz. LGU-Geschäftsführer Elias Kindle ergänzte die Liste noch um die Flussabschnitte bei Balzers und Wartau und im Bereich Ruggell-Bangs. An mehreren Rheinabschnitten stehen ohnehin Sanierungen der Hochwasserdämme an. Deshalb regen die Naturverbände an, nicht nur auf technische Sicherungen nach konventioneller Manier zu setzen, sondern gleich auch an Renaturierungen zu denken, die ebenfalls die Sicherheit des Rheins verbessern und zusätzlich auch für attraktivere Erholungs- und vielfältigere Naturräume sorgen können. Plädiert wird für Projekte mit Augenmass, die auch die Anliegen der ufernahen Landwirtschaft berücksichtigen. Der Schweizer Flussbaupionier Christian Göldi, der online in der Konferenz zugeschaltet war, versuchte mit einigen Erfolgsprojekten an Schweizer Flüssen Werbung für gelungene Aufweitungen und Renaturierungen zu machen. Aber auch Elias Kindle konnte mit Beispielen von der Isar in München sowie nahe liegenden Renaturierungserfolgen am Liechtensteiner und Werdenberger Binnenkanal aufwarten. Nicht zuletzt steckt auch im Drei-Länderabkommen «Entwicklungskonzept Alpenrhein» vom Dezember 2005 einiges an Potenzial, um nicht nur die technische Sicherheit des Alpenrheins, sondern auch die biologische Vielfalt des Flusses für künftige Generationen zu verbessern. Für eine ergiebige Onlinediskussion zur Zukunft des Alpenrheins war gestern Abend jedenfalls gesorgt. (jm)