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Presseartikel

 
Mittwoch, 14. Okt 2015

Energiedorf Wildpoldsried: Regenerativ mit viel Rendite

Modelldorf Dass sich eine vollständig erneuerbare Energieversorgung für ein Dorf auch rentieren kann, beweist die Oberallgäuer Gemeinde Wildpoldsried seit Jahren. Am Montag referierte Bürgermeister Arno Zengerle über sein Vorzeige-Energiedorf im Ruggeller Gemeindesaal.

Wildpoldsried im Allgäu und Ruggell haben vieles gemeinsam. Beides sind ländliche Gemeinden, besitzen eine vergleichbare Einwohnerzahl und sind auf dem Weg in eine nachhaltige Energiezukunft mit lokaler Versorgung. Im Juni 2013 besuchte eine Gruppe mit Vertretern der Unterländer Umweltkommissionen die Oberallgäuer Gemeinde, zunächst, um die dortigen Windkrafträder zu besichtigen, wie Norman Walch von der Ruggeller Umweltkommission erinnerte, weil in Liechtenstein ebenfalls gerade Windmessungen durchgeführt wurden. Doch dann war man vor Ort erstaunt, dass es der Gemeinde gelungen war, mit einem Mix aus Windkraft, Biogas, Solarstrom und -wärme, Holz- und Wasserkraftnutzung zu 100 Prozent regenerativ zu werden. Ein Ziel, welches das Dorf nach einem gemeinsamen Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 1999 für das Jahr 2020 anstrebte, durch rege Bürgerbeteiligung jedoch bereits sieben Jahre früher erreichte.

Bürger tragen Energiewende

Das wesentlichste Geheimnis des Erfolgs lag in einer frühzeitigen flächendeckenden Beteiligung der Bürger bei allen geplanten Energiemassnahmen, erzählte Langzeitbürgermeister Arno Zengerle am Montagabend bei einem gut besuchten Vortrag im Ruggeller Gemeindesaal. Aus einer Bürgerumfrage 1999 entstand unter dem Titel «Wildpoldsried Innovativ Richtungsweisend – Ein Dorf geht seinen Weg» ein ehrgeiziges Energieprogramm, das sich gegen alle Skepsis über die Finanzierbarkeit zum Ziel setzte, die Gemeinde bis 2020 zum nachhaltigen Vorzeigemodell zu machen. Das komplett beschlossene Programm hatte schon einmal den Vorteil, dass die Gemeinde auf jede Förderung für erneuerbare Energieformen, die vom Land Bayern, dem Staat Deutschland oder der EU zur Verfügung gestellt wurden, direkt und ohne weitere Diskussionen und Beschlüsse zugreifen konnte. Im weiterer Folge konnten 300 Bürger zur privaten Errichtung von sieben Windkraftwerken mit 20 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr gewonnen werden, weitere 220 private Investoren errichten aktuell zwei neue Windräder mit einer Leistung von 13,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Die beteiligten Bürger wissen, dass ihre Investitionen gut angelegtes Geld sind, denn ein Windrad amortisiert sich nach zwölf Jahren und kann danach für 30 bis 40 Jahre Gewinn abwerfen. Auch zur Errichtung der heute 256 Photovoltaik- und 150 thermischen Solaranlagen auf den Wildpoldrieder Hausdächern konnten die Bürger schon vor zehn Jahren zu einer Sammelbestellung bewegt werden, um Kosten zu sparen. Und nicht zuletzt wurden auch die zahlreichen Dorfvereine dazu gewonnen, auf den kommunalen Gebäuden Photovoltaikanlagen zu installieren und zu betreuen, weil sie im Gegenzug die Gewinne aus den Stromverkäufen für ihre Vereinskassen lukrieren können.
Mittlerweile scheint ganz Wildpoldsried von den Vorteilen der Energiewende überzeugt zu sein. Die Biomasse-Dorfheizung wurde innerhalb weniger Jahre sechsmal erweitert, man nutzt Kleinwasserkraftwerke, Erdwärme, Biogas, setzt auf Energiesparen und Passivstandard im kommunalen Bauwesen und erzielte Ende 2014 in der Gemeinde einen Energieüberschuss von 481 Prozent und eine Wertschöpfung von 4,5 Millionen Euro. Dabei werden nicht nur stets die neuesten Technologien verwendet, sondern auch im Dorf selbst Innovationen geschaffen. Die Wildpoldsrieder Sonnenbatterie zur Speicherung von Solarstrom ist heute eine Firma mit 130 Mitarbeitern und Marktführer in Deutschland.