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Presseartikel

 
Dienstag, 28. Apr 2015

Auch als Vorsteher gilt: «Learning by doing»

Wechsel Nach acht Jahren übergibt Ernst Büchel das Vorsteheramt in Ruggell an seine FBP-Kollegin Maria Kaiser-Eberle. Erstmals haben die neuen Anwärter bis zum 1. Mai Zeit, sich auf diese neue Aufgabe vorzubereiten. Kaiser-Eberle wird dabei tatkräftig unterstützt.

«Volksblatt»: Frau Maria Kaiser-Eberle, am 1. Mai übernehmen Sie das Vorsteheramt in Ruggell, freuen Sie sich schon auf die Herausforderung?

Maria Kaiser-Eberle: Ja, ich freue mich sehr auf diese anspruchsvolle und interessante Herausforderung in der Funktion als Vorsteherin von Ruggell. Derzeit schliesse ich meine Arbeit im Schulamt ab. Gleichzeitig gibt mir Ernst Büchel wichtige Informationen für meine zukünftige Tätigkeit weiter, was für mich sehr hilfreich ist.

Seit dieser Gemeindewahl wird das Vorsteheramt ja erst rund zwei Monate später übergeben, statt wie bisher sofort nach der Wahl. Worin liegen darin für Sie die Vorteile?

Kaiser-Eberle: Für mich liegt der Vorteil vor allem darin, dass ich an meinem Arbeitsplatz ordentlich abschliessen kann. Wenn man sich zur Wahl stellt, liegt die Chance für eine Wahl bei 50 Prozent. Also arbeitet man bis zu den Wahlen normal weiter. Daher ist es gut, dass man bei einem Wahlsieg an der bisherigen Stelle Zeit hat, abzuschliessen. Andererseits ist es wichtig, langsam in das Vorsteheramt reinzuschnuppern und sich darauf vorzubereiten, ohne von einem auf den anderen Tag übernehmen zu müssen.


Konnten Sie Ihre bisherige Stelle beim Schulamt gut abschliessen?

Kaiser-Eberle: Ich versuche möglichst gut abzuschliessen. Meine Stelle wurde schon ausgeschrieben. Ich weiss nicht, wie schnell eine Nachfolge gefunden werden kann. Meine nächsten Mitarbeiter, die im selben Bereich arbeiten, wissen Bescheid und können bei der Einarbeitung behilflich sein. Natürlich stehe auch ich für Fragen jederzeit zur Verfügung.

Wäre eine saubere Übergabe auch möglich gewesen, wenn es keine Übergangsfrist gegeben hätte?

Kaiser-Eberle: Das kann ich schwer beurteilen. Vermutlich wäre ich schon sehr hin und her gerissen gewesen. Auf der einen Seite den alten Job abzuschliessen und auf der anderen Seite mit der neuen Arbeit auch gewissenhaft zu starten. Das ist ein sehr hoher Anspruch und wird sicher auch ein Grund sein, warum dies nun anders geregelt wurde.
Ernst Büchel:Ich habe es ja selbst erlebt, wie es ist, einen Tag nach der Wahl direkt im Vorstehersessel zu sitzen. Meine Übergabe dauerte damals knapp eine Stunde. Gut, man profitiert am Anfang von einer funktionierenden Verwaltung. Die hat mich damals offen aufgenommen und mich unterstützt. Aber es ist natürlich sehr erschwerend, wenn man so hineingeworfen wird. Die ersten zwei Monate war ich nur einen halben Tag vor Ort. Am Vormittag war ich noch in meinem alten Beruf bei der Presta tätig und schloss die letzten Projekte ab. Am Nachmittag war ich dann im Rathaus im Einsatz. Daraufhin meinte ich, dass sich das ändern müsse, analog zur Schweiz. Über dem Rhein hat man für die Übergabe zwei bis drei Monate Zeit. Mein Vorschlag wurde dann auch in der Vorsteherkonferenz besprochen. Leider konnte das Gesetz nicht so schnell geändert werden, als dass die Amtsgeschäfte bereits 2011 auf diese Weise übergeben werden konnten. Auf die Gemeindewahlen 2015 wurde es gesetzlich möglich, eine Übergangszeit einzuführen.

Herr Büchel, Sie haben ja Maria Kaiser-Eberle Unterstützung zugesichert. Wie gestalten sich denn die gemeinsamen Vorbereitungen?

Büchel: Wir hatten bereits mehrere Termine im April vereinbart. Dabei haben wir darauf geachtet, dass Maria die Chance hatte, mit jeder Abteilung eine Besprechung zu machen. Maria hat weiter auch die Möglichkeit, mich trotz meiner Pension jederzeit anzurufen. Ich stehe auch weiterhin zur Verfügung.
Kaiser-Eberle: Diesbezüglich habe ich eine komfortable Ausgangslage. Das ist natürlich viel wert. In Ruggell kennt man sich zwar und auch durch meine Erfahrungen im Gemeinderat (2003–2011) wusste ich, wer in welchem Bereich arbeitet. Mittlerweile wurde ich auch schon in die laufenden Geschäfte der Gemeinde Ruggell von Ernst Büchel und von Mitarbeitern der Verwaltung eingeführt. Das ist schon sehr hilfreich.
Büchel: Die Übergabe fällt uns natürlich auch leichter, da wir von der gleichen Partei sind. Wenn wir vor den Wahlen Konkurrenten gewesen wären, würde es sicher um einiges schwieriger.

Wären Sie denn einem VU-Kandidaten auch zur Seite gestanden oder handelt es sich doch ein bisschen um einen «Parteienbonus»?

Büchel: Es ist sicher auch ein Parteienbonus dabei, aber ich hätte mich in der Übergangszeit auch für einen VU-Vorsteher zur Verfügung gestellt. Das war seit eh und je ein Wunsch von mir, und es ist ja auch im Sinne der Bürger. Ich betrachte es als einen Bürgerservice, dass die Übergabe reibungslos abläuft.

Trotz der Unterstützung warten neue Herausforderungen. Frau Kaiser-Eberle, wovor haben Sie den meisten Respekt?

Kaiser-Eberle: Ich habe grundsätzlich Respekt vor dieser neuen Arbeit, aber ich nehme die Herausforderung auch gerne an.
Büchel: Maria hat sicher auch einen Vorteil, da sie bereits in einem Amt arbeitet. Sie weiss daher, welche Anliegen die Bürger haben und wie der Umgang gepflegt wird. Zudem hat sie acht Jahre Erfahrung als Gemeinderätin und vier Jahre Erfahrung als Vizevorsteherin.
Kaiser-Eberle: Das stimmt. Durch meinen Beruf und meine Arbeit im Gemeinderat habe ich sicher Vorteile, da ich auch mit schwierigen Situationen konfrontiert wurde und zur Lösungsfindung beigetragen habe.

Sie waren vier Jahre weg von der politischen Bühne, hat sich seitdem etwas in den Abläufen geändert?

Kaiser-Eberle: Ich komme in einer neuen Rolle in die Gemeinde, andererseits kenne ich gewisse Abläufe. Was sich verändert hat, weiss Ernst besser.
Büchel:Wesentlich ist, dass wir jetzt papierlose Gemeinderatssitzungen abhalten und die Einladungen über das Internet verschickt werden. Jeder hat in der Sitzung ein Tablet mit den Unterlagen. Das ist vom Ablauf her die grösste Änderung.

Wie kann man sich die Übergabe am 1. Mai vorstellen?

Büchel: Am 1. Mai ist Feiertag, da komme ich nicht in das Rathaus von Ruggell. Wir machen die Übergabe am 30. April. Auf diesen Tag haben wir schon den IT-Fachmann bestellt, damit Maria gleich schon auf alles zugreifen kann. Ab 1. Mai hat sie dann die volle Kompetenz. Offiziell angelobt wird sie zwar erst am 18. Mai.
Kaiser-Eberle: Wir haben auch eine gute Verwaltung. Ich habe den Eindruck, ich wurde gut aufgenommen und die Mitarbeiter stehen mir zur Seite. Ausserdem kann ich jederzeit auf Ernst zugehen.
Büchel: Es ist auch im Vorsteheramt nicht anders: Learning by doing.

Wie lange braucht man, bis man eingespielt ist?

Büchel: Eigentlich lernt man auch nach acht Jahren nicht aus, es gibt immer etwas Neues. Der Job ist so interessant und vielfältig, dass das Lernen nie aufhört. Wie lange man braucht? Wichtig ist, dass man einsieht, dass man im ersten Jahr nicht die Welt bewegen kann. Der alte Gemeinderat hat das Budget gemacht, die Projekte sind aufgegleist. Eigentlich fängt es erst im Herbst richtig an. Dann wird das Budget für das nächste Jahr beschlossen und man kann selbst entscheiden, welche Projekte man angeht.

Herr Büchel, wie haben Sie die letzten Wochen im Amt verbracht? Versucht man in den zwei Monaten Übergabe noch möglichst viel Projekte durchzubringen oder überlässt man das schon dem neuen Vorsteher?

Büchel: In Ruggell war die Verwaltung in den letzten zwei Monaten sehr aktiv. Wir haben versucht, noch möglichst viel zu bewilligen. Mir war es wichtig, Projekte, die wir im Gemeinderat schon seit Monaten behandelt haben, abzuschliessen. Der neue Gemeinderat hat andere Sachen, mit denen er sich gerade anfangs beschäftigen muss, etwa die Besetzung von Kommissionen. Dann folgt mit den Sommerferien eine ziemliche schwache Phase, in der nicht viel Entscheide gefällt werden. Deshalb waren die letzten zwei Sitzungen die mit den meisten Traktanden der vergangenen acht Jahre.
Kaiser-Eberle: Es war auch in meinem Sinne, dass länger laufende Projekte noch vom alten Gemeinderat beschlossen wurden – soweit möglich. Natürlich muss man sich auch damit beschäftigen und sich ins Thema einarbeiten.

Apropos Richtung. Frau Kaiser-Eberle, wird es grosse Umbrüche geben, wenn Sie dann im Herbst das neue Budget beschliessen?

Kaiser-Eberle: Ich denke nicht. Es ist schon sehr vieles aufgegleist, das muss man fertigmachen oder weiterführen. Projekte sind oftmals nicht so schnell umsetzbar: Einige, wie etwa den Schulbau oder Industriezubringer, wurden schon aufgegleist, als ich noch im Gemeinderat war. In der Vergangenheit hat Ruggell viel investiert und gebaut. In erster Linie muss das Angefangene weitergeführt werden und dann müssen wir unter Einbezug der Beteiligten schauen, was Ruggell in Zukunft braucht.
Büchel: Ruggell ist natürlich auch eine Gemeinde, die stark vom Finanzausgleich lebt. 60 Prozent der Einnahmen aus den letzten acht Jahren kommen aus dem Finanzausgleich. Wir können nicht über die Stränge schlagen. Es ist daher budgetabhängig, wie schnell ein Projekt durchgeführt werden kann. Es müssen Prioritäten gesetzt werden. Dann gibt es noch die Geschäftsordnung, in der wir beschlossen haben, dass der Selbstfinanzierungsgrad der Gemeinde im vierjährigen Durchschnitt bei 100 Prozent liegen muss. Mit diesem Reglement wollen wir erneute Schulden verhindern. Natürlich ist es aber wichtig, das Geld nicht nur anzuhäufen – das ist auch nicht die Idee dahinter.
Kaiser-Eberle: Gerade das Reglement der Finanzkommission ist etwas, woran ich auch künftig festhalten möchte. Es ist wichtig zu überdenken, was und in welcher Zeit etwas realisiert werden kann – ohne eine Überschuldung der Gemeinde zu verursachen. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, welche Investitionen nötig sind, um das Leben in der Gemeinde gut zu gestalten, und zwar als Wohn- und Wirtschaftsgemeinde. Das erfordert innovatives und vorwärts gerichtetes Denken. Ein Beispiel dafür ist etwa das Projekt «Wohnen und Leben im Alter», das Gamprin, Ruggell und Schellenberg gemeinsam aufgleisen.

Was sind – abgesehen vom Geschlecht – die Unterschiede in Ihrer Arbeit?

Büchel: Das wird noch herauszufinden sein. In der Gemeindearbeit kommt es ja nicht nur auf den Vorsteher an, auch die neuen Mitglieder im Gemeinderat können andere Ansichten darüber haben, wo gespart und wo investiert werden soll.
Kaiser-Eberle: Von der Ideologie, unserem Grundsatz und Ansichten her sind Ernst und ich uns sehr ähnlich. Wir wollen möglichst alle Beteiligten miteinbeziehen – die Einwohner, Verwaltung und den Gemeinderat. Ansonsten sind wir natürlich unterschiedliche Personen.

Frau Kaiser-Eberle, was erhoffen Sie sich für Ihre Zukunft als Vorsteherin in Ruggell?

Kaiser-Eberle: Erst einmal möchte ich mich bei den Wählern bedanken, die mir das Vertrauen geschenkt haben. Ebenfalls bedanke ich mich bei Ernst recht herzlich. Er war mit Leib und Seele Vorsteher und ich bin froh, dass ich von diesem Know-how profitieren kann. Im Gemeinderat hoffe ich parteiübergreifend auf eine gute Zusammenarbeit, damit wir Ruggell in eine gute Zukunft führen können. Ich finde es ausserdem super, dass es in Ruggell so viele Frauen auch in den Gemeinderat geschafft haben. Frauen und Männer ergänzen sich aus meiner Sicht in der Arbeit ausgezeichnet.

Herr Büchel, Sie verabschieden sich mit dem 1. Mai in den Ruhestand. Welches Fazit ziehen Sie aus den vergangenen acht Jahren, in denen Sie an der Spitze von Ruggell standen?

Büchel: Es war eine sehr bewegende und interessante Zeit. Ich denke, wir haben in den vergangenen Jahren vieles erreicht, das das Ansehen der Gemeinde gefördert hat. An dieser Stelle möchte ich mich bei der Bevölkerung für die Unterstützung herzlich bedanken. Ich hatte immer einen guten Rückhalt verspürt. Zudem bin ich stolz über die hohe Frauenquote in der Gemeinde, das lässt sich nicht nur liechtensteinweit, sondern auch europaweit zeigen.

«Ich habe den Eindruck, ich wurde gut aufgenommen und die Mitarbeiter stehen mir zur Seite.»

Maria Kaiser-Eberle