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Presseartikel

 
Donnerstag, 24. Dez 2009

Suche nach der Identität

Küefer-Martis-Huus: Ein Haus als Brücke von Tradition zur Moderne

RUGGELL - Kann Kunst als Mahnmal der modernen Überflussgesellschaft dienen, oder disqualifiziert sie sich selbst als Luxus? Dieser Frage und der Suche nach der eigenen Geschichte stellt sich Johannes Inama jeden Tag.

«Volksblatt»: Herr Inama, Sie sind seit fünf Jahren Leiter des Küefer-Martis-Huus. Soll mit dieser Institution der Brückenschlag vom Traditionellen zur Moderne glücken?

Johannes Inama

: Ja, als Brückenschlag könnte man es bezeichnen. Die Idee, das Haus als Begegnungszentrum mit musealem Charakter zu führen, bestand schon vor meiner Zeit. Doch nicht nur von Alt zu Neu, sondern auch zur Bevölkerung und über die Grenzen hinaus sollen Beziehungen aufgebaut werde, das ist die Idee, die wir verfolgen. Das Haus in seiner Beschaffenheit und Lage hat durchaus eine Brückenfunktion in seiner grenznahen Umgebung.

Wo sehen Sie Ihren Auftrag in der Kulturlandschaft?

Als zentrale Aufgabe sehe ich aufgrund der exponierten Lage, die Verbindungen zur Schweiz und Österreich herzustellen und die grenzüberschreitenden Themen der Region zu bearbeiten. Neben historischen Bezügen befassen wir uns auch mit dem aktuellen Geschehen. Und gerade historische Themen bekommen ja ihre Relevanz erst durch die Anknüpfung an die heutigen Ereignisse. Das zu vermitteln, darin sehe ich meine Aufgabe.

Was haben Sie in der nächsten Zukunft vor?

In der vergangenen Zeit haben wir uns in zwei grossen Projekten dem Thema Wasser gewidmet, dieses Jahr ging es in der Ausstellung «Vom Mangel zum Überfluss» um die Entwicklung der kleinbäuerlichen Kultur. Das waren alles Projekte, die gut angekommen sind.Im kommenden Jahr werden eher historische Themen im Vordergrund stehen. Hauptanlass wird das Thema «Juden in Liechtenstein» sein, ein Thema, das in Liechtenstein noch gar nicht bearbeitet wurde und mir sehr am Herzen liegt. Es wird ein Kooperationsprojekt mit dem jüdischen Museum Hohenems und startet im Mai nächsten Jahres. Das Haus bietet sich dafür an, da es etwas ausserhalb der Machtstrukturen Liechtensteins und zudem am Fusse des Eschnerbergs liegt, wo die erste jüdische Gemeinde Liechtensteins angesiedelt war.

Was ist das Konzept, um Leute neugierig zu machen?

Das ist die Kombination zwischen den historischen Aspekten, und den immer wieder hergestellten Bezügen zu heutigen Themen. Hier der Reiz des alten Hauses und dort die Gegenüberstellung mit der Moderne. Es ist spannend, in dieser Umgebung immer wieder neue, unerwartete und überraschende Akzente zu setzen - Stilbrüche, die Irritationen auslösen sollen. Das lockt die Menschen immer wieder zu uns.

Wie steht es um die Rezeption von Kunst und Tradition in der medial ausgeschlachteten schnelllebigen Zeit?

Wie das überhaupt noch Platz hat bei dem Überangebot, fragen wir uns auch manchmal. Aber ich finde, eine Institution, die sich mit der Identität der Region, Kultur und der Gesellschaft auseinandersetzt, muss immer eine Daseinsberechtigung haben. Zumal wir uns gerade heute auf unsere Identität besinnen sollten und prüfen, ob wir das, von dem wir glauben, dass es uns auszeichnet, überhaupt noch sind. Es kommen viele Menschen zu uns, manche wissen besser über ihre eigene Geschichte Bescheid als ich, anderen können wir dabei helfen, sich zu informieren. Darin sehe ich auch den Bildungsauftrag des Hauses.

Kann die letzte Ausstellung «Vom Mangel zum Überfluss», mit Gertrud Kohli, als Fingerzeig verstanden werden?

Ja, das war dezidiert eine kleine Provokation, besonders für die Menschen hier, sich bewusst zu werden, dass der Mangel noch gar nicht so lange her ist. Der Konsumwahn in der heutigen Zeit lässt viele der wirklich wichtigen Werte vergessen. Es muss einem daher wieder bewusst werden, was das Leben lebenswert macht und worauf verzichtet werden könnte.

Kunst und Wirtschaftskrise. Kommt es zu einer Rückbesinnung?

In den Ausstellungen merken wir die Krise im Rückgang am Kaufinteresse. Zudem stellen wir uns oft die Frage, was an Kunst in der heutigen Zeit überhaupt Relevanz hat, oder ob das einfach nur Luxus-Diskussionen sind, die mit den realen alltäglichen Problemen eigentlich gar nichts mehr zu tun haben. Solche Fragen tauchen natürlich immer wieder auf. An sich ist die Investition in die kulturelle Bildung einer Region von unschätzbarem und langfristigem Wert, vielleicht sogar dem, der uns zu Menschen macht. Wir vergessen viel, wenn wir uns nur mit den wirtschaftlichen Aspekten befassen.

Sie zeigen eher etablierte Künstler, was ist mit den neuen, Jungen?

Wir sind natürlich angewiesen auf Anfragen, aber es stimmt, ich persönlich würde jungen, noch nicht arrivierten Künstlerinnen und Künstlern gerne verstärkt Chancen bieten. Es ist immer schwierig, nicht zu einseitig zu werden, eine Gratwanderung zwischen Niveau und Pepp und Massentauglichkeit. Aber vielleicht ist es für jüngere Künstler auch gar nicht so spannend zu uns zu kommen, in ein altes Haus. Man müsste sich vielleicht in der Zukunft ein Thema vornehmen, um junge Künstler besser ins Programm einbinden zu können.

Wie steht es mit Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen?

Wir sind sehr an Kooperationen interessiert. Grenzüberschreitende Kooperationen fanden immer wieder statt und auch die Vernetzung im Land geschieht und wird weitergehen. Zum Beispiel mit dem Filmclub Liechtenstein machen wir ja jedes Jahr den Video-Grand-Prix.

Wie wird das Angebot vom Publikum angenommen?

Ich bin immer wieder überrascht, wie völlig neu und durchmischt das Publikum bei den verschiedenen Veranstaltungen ist. Es ist für mich eine Qualität des Hauses, regelmässig die unterschiedlichsten Publikumsschichten zu vereinen.

Ist es schwer, Künstler für eine Ausstellung zu finden?

Im Gegenteil, wir sind mit Anfragen ausgebucht bis übernächstes Jahr, wollen allerdings die Kunstausstellungen etwas reduzieren. Es ist etwas problematisch, da auf diesem Sektor schon viel angeboten wird. Nächstes Jahr werden neben dem geplanten Event sechs regionale Künstler bei uns ausstellen, nebst kleineren Projekten.

Ist das eigentlich finanzierbar?

Also der Hauptanteil wird von der Gemeinde Ruggell getragen und für grössere Projekte versuchen wir, weitere Mittel aufzutreiben. Aber eigentlich ist es eine Institution der Gemeinde und bisher stehen die Gemeindeverantwortlichen voll hinter dem Haus.

Wie beurteilen Sie die Kulturlandschaft Liechtensteins?

Ich war überrascht über die Vielfalt und Dichte der professionellen Künstler in dem doch überschaubaren Land. Das habe ich nicht erwartet, als ich her kam. Die Region Rheintal stellt einfach ein beeindruckendes kulturelles Programm.

Sie betreiben ein altes, traditionelles Haus, wie leben Sie eigentlich privat?

Das richtet sich nach den finanziellen Möglichkeiten. Manche Einrichtungsgegenstände, die ich haben möchte, kann ich mir leider nicht immer leisten. Wir wohnen in einem ursprünglich alten Rheintal-Bauernhaus, aber das ist ihm durch die vielen Umbauten nicht mehr anzusehen. Im Innenraum setzten wir eher auf einen modernen Einrichtungsstil, jedoch durchbrochen mit persönlichen und witzigen Noten. Aber das ändert sich auch laufend, ich bastle auch gerne, obwohl Bauhaus eigentlich mein Stil wäre.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Was ich mir in letzter Zeit wirklich wünschen würde, wäre, dass die Menschen etwas weniger auf die populistischen Angstmacher und Hassprediger hören würden und mehr auf Menschen mit gesundem Menschenverstand. Und versuchen würden, auch das Gute in den Menschen zu sehen. Dass das Wort «Gutmensch» zu einem Schimpfwort werden konnte, ist eigentlich ein Paradoxon in einer Region, die sich als christlich-abendländisch geprägt sieht.