suche navigation

Presseartikel

 
Freitag, 23. Aug 2013

«Unser Ziel ist es, die Kunstschule in der jetzigen Form zu retten»

Interview Die Kunstschule Liechtenstein feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr wird ihre Zukunft vonseiten der Politik infrage gestellt. Wir sprachen mit Cornelia Eberle, Stiftungsratsvorsitzende der Kunstschule.

«Volksblatt»: Frau Eberle, gerade wurde das neue Schuljahr an der Kunstschule eröffnet. Was für ein Gefühl ist es, den neuen Vorkursjahrgang willkommen zu heissen, der Vorstellung der Lehrer beizuwohnen, diese Stimmung des Aufbruchs mitzuerleben?

Cornelia Eberle: Ich empfinde das Zusammenspiel der Menschen hier als Gesamtheit. Man spürt die Dynamik hinter der Gruppe, dem Team. Es handelt sich bei den Schülern um junge Menschen mit Visionen, die hochmotiviert ihren Berufsweg antreten. Als Grafikerin habe auch ich einen Vorkurs absolviert und es ist schön, das wieder mitzuerleben.

Was lernen die Schüler im Vorkurs?

Es handelt sich bei den Schülern um musisch begabte junge Menschen, die beruflich etwas Kreatives, Visuelles machen möchten: Polygrafen, Gra- fiker, Fotografen, Architekten etc. Die Gründe für den Besuch des Vorkurses sind breit gefächert. Er dauert ein Jahr, ist sehr dicht, der Unterricht findet in Modulen statt: Module für Gestaltung, Illustration, Design, diverse Techniken etc. Er soll die Schüler darauf vorbereiten, zielgerichtet Bilder zu schaffen. Eine Idee hat jeder schnell. Aber dass ein Bild, ob digital, gemalt, gezeichnet oder dreidimensional gestaltet die gewünschte Botschaft vermittelt, ist noch einmal etwas anderes. In diesem Jahr nehmen 16 Schüler am Vorkurs teil.

Der zweite Hauptpfeiler neben dem Vorkurs sind die Bildungskurse.

Ja. Diese gibt es bereits für die Kleinsten, Kindergärtner und Schulkinder, die sich gern über das Zeichnen ausdrücken. Ingeborg Hilti lehrt die Kinder beispielsweise spielerisch mit Materialien und Techniken umzugehen. Man erlebt hier eine sehr lebendige, positive Atmosphäre. Es gibt zweitens spezielle Kurse für Jugendliche, die sich zum Beispiel auf den Vorkurs vorbereiten können, etwa den Mappenvorbereitungskurs. Er hilft, den Sprung an eine Fachschule zu schaffen. Es gibt Kurse für Malerei, Fotografie; hier wird zum Beispiel aufgezeigt, wie Fotos sinnvoll mit Computer verarbeitet werden können. Auch haben wir eine sehr schöne 3D-Werkstatt für das Modellieren. Auch Aktzeichnen ist im Programm. Für Erwachsene gibt es etwa Kurse in Fotografie bis hin zu Kursen mit Kettensäge oder für Schmuckdesign.

Finden sich genügend Interessenten für die Bildungskurse?

Der Markt ist hart umkämpft, man muss darum kämpfen, dass man die Kurse gut zu füllen bringt, auch wenn manche Kurse regen Zulauf haben. Im Moment läuft es aber gut, wir verzeichneten in letzter Zeit eine Zunahme bei der Zahl der Interessenten.

Die Kunstschule feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen, Anfang Mai fanden in diesem Zusammenhang zwei Tage der offenen Tür statt. Welches waren die Meilensteine der vergangenen 20 Jahre?

Ein erster Meilenstein war, dass die Kunstschule an der ehemaligen Primarschule Eschen ihren Anfang nahm. Das Angebot bestand damals ausschliesslich aus Bildungskursen. Die treibende Kraft hinter den Entwicklungen war Bruno Kaufmann, späterer Direktor. Die Kunstgesellschaft hat das alles sehr stark mitgetragen. Schliesslich wurde ein Schulversuch lanciert, was sehr gut aufgenommen wurde. Computerkurse kamen dazu. Ein grosser Meilenstein war der Wechsel von Eschen nach Nendeln im Jahr 2003. Dadurch konnte auch zum ersten Mal der Vorkurs durchgeführt werden. 2008 löste Peter Stobbe Bruno Kaufmann als Direktor ab. In jüngerer Vergangenheit wurde zudem das räumliche Angebot sinnvoll erweitert, etwa durch eine Druckwerkstatt, eine 3D-Werkstatt und ein Farblabor.

Warum ist es Ihres Erachtens wichtig, dass die Institution Kunstschule in Liechtenstein existiert?

In einer Welt, die von Bildern beherrscht wird – Werbung, Film, Druckmedien, Internet etc. – arbeiten wir alle mit Bildern, haben ständig Bilder um sich herum. Es gibt dementsprechend Menschen, die beruflich in einem solchen Bereich tätig sein wollen. Die Kunstschule gibt Menschen die Möglichkeit, in diesen Bereich zu gehen. Ich finde es geradezu verletzend, als Grafikerin darüber diskutieren zu müssen, ob es so etwas braucht oder nicht. Ich denke oft, dass kreative Köpfe immer und überall gefragt sind. Das Gestalterische gehört für mich zu einer Gesellschaft dazu. Es hat für mich denselben Stellenwert wie andere Berufssparten. Wir bieten Jugendlichen in Liechtenstein die Möglichkeit, nah an ihrem Wohnort einen Vorkurs zu absolvieren – sie müssen also nicht nach St. Gallen oder Zürich fahren. Zudem haben Menschen in Liechtenstein die Möglichkeit, sich in nächster Nähe künstlerisch weiterzubilden – ein absoluter Mehrwert!

Im kürzlich präsentierten Massnahmenpaket III zur Sanierung des Staatshaushalts wird ausgeführt, dass es «zu hinterfragen gilt, inwiefern die Leistungen der Kunstschule in Zukunft noch angeboten werden sollen (…)». Es ist an anderer Stelle von der «Auflösung der Stiftung Kunstschule Liechtenstein» die Rede. Haben Sie mit einem solchen Ansinnen gerechnet?

Nein, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Am Staatsfeiertag war das Hauptthema ja das Sparen. Auf der Webseite des Landtages ist diesbezüglich von der Verteilung auf viele Schultern zu lesen. «Auflösung » heisst für mich: «Verschwindet, wir brauchen euch nicht.» Dies ist hart, und ich verstehe dieses Ansinnen nicht als jene «Verteilung auf viele Schultern». Der Erbprinz spricht von «zukunftsorientiertem Sparen». Im musischen Bildungsbereich einfach Tabula rasa zu machen, ist aber kein zukunftsorientiertes Sparen.

Wie fühlt es sich an, mit diesen doch recht ernüchternden Aussagen konfrontiert zu werden?

Es werden 20 Jahre Arbeit – es wurde extrem viel Energie aufgewendet, um eine gute Sache auf die Beine zu stellen – infrage gestellt. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir in allen Bereichen sauber aufgestellt sind. Das Ganze erwischt uns ausgerechnet im Jubiläumsjahr an einem Punkt, an dem wir sehr optimistisch waren. Die Aussagen ziehen einem zunächst den Boden unter den Füs-sen weg. Das Ganze wurde an einem Tag X erarbeitet, ein Miteinander sehe ich hier überhaupt nicht.

Über eine halbe Million Franken hat der Staat im Jahr 2012 für die Kunstschule ausgegeben. Finden Sie diesen Betrag, der etwas mehr als die Hälfte der gesamten Einnahmen der Kunstschule ausmacht, angemessen?

Ja, den finde ich angemessen. Eine Bildungsinstitution mit unserer Infrastruktur kann nicht selbsttragend sein, das ist schlicht nicht möglich. Auch eine Sportschule, eine Musikschule kann nicht selbsttragend sein. Denn das würde bedeuten, dass Kurs- und Schulgelder dermassen erhöht werden müssten, dass es sich kaum mehr jemand leisten könnte. Der Mehrwert, der aus einer Schule wie der unseren erfolgt, lässt sich nicht in Franken messen.

Wie schätzen Sie die Situation ein: Wird die Stiftung Kunstschule Liechtenstein aufgelöst werden?

Ich hoffe nein. Es bräuchte einen Landtagsentscheid, das Gesetz über die Stiftung «Kunstschule Liechtenstein» müsste aufgehoben werden. Ich hoffe wirklich, dass die Weitsicht vorhanden ist, der Stellenwert unserer Schule erkannt wird und man uns leben lässt. Ab dem 4. September berät der Landtag bezüglich des Massnahmenpakets III. Der Worst Case ist, dass der Landtag das Massnahmenpaket irgendwann geschlossen akzeptiert, ohne sich über die Zukunft der Kunstschule ausgelassen zu haben.

Befinden Sie sich im Gespräch mit der Regierung?

Erste Gespräche gab es. Da diese Bombe in den Sommerferien platzte, konnten wir nicht gleich reagieren. Heute Abend (Montagabend, d. Red.) haben wir eine Stiftungratssitzung und werden Schritte einleiten. Wir werden das Ganze nicht stillschweigend hinnehmen.

Sollte es so weit kommen, dass die Stiftung Kunstschule aufgelöst wird und damit die staatlichen Beiträge entfallen: Wird die Kunstschule in veränderter Form weiterexistieren?

Wir werden ein Worst-Case-Szenario ausarbeiten, Ideen sind bereits da. Unser Ziel ist es jedoch, die Kunstschule in der jetzigen Form zu retten. Wir wollen die gegenwärtige Krise überstehen, das ist unser Ansinnen. Eine Prognose ist schwer zu stellen. Es braucht ein klares Statement vonseiten des Landtages. Ich erhoffe, dass er sich hinter uns stellt.

Vor einigen Wochen sah sich das Landesmuseum mit Vorwürfen aus dem Landtag konfrontiert, auch hier wurde gefordert, in Zukunft den Sparstift noch vehementer anzusetzen. Sehen Sie im Zuge der Haushaltssanierung allgemein die Tendenz, dass mit Sparbemühungen auf die Kultur gezielt wird?

Nicht nur. Ich habe jedoch das Gefühl, dass es ein Leichtes ist, auf die Kultur zu zielen. Der Stellenwert der Kultur ist vordergründig nicht allen bewusst – leider. Im kulturellen Bereich wird Identität geschaffen. Leider wird am Schreibtisch auf einem weissen A4-Blatt ganz nüchtern mit Zahlen jongliert und gekürzt – das kommt so lapidar daher. Als Kulturinteressierte tut mir das weh. Ich glaube beim Sport gäbe es im Falle massiver Einsparungen einen viel grösseren Aufschrei als in der Kultur.

Wo wäre es für Liechtenstein sinnvoller zu sparen als in der Kultur?

Dass jeder einen Beitrag leisten muss, ist mir klar. Den ganzen Staatsapparat kenne ich zu wenig, um beurteilen zu können, wo man sparen muss. Gespart werden könnte meines Erachtens aber etwa durch Vernetzung ähnlich gelagerter Organisationen.


Cornelia Eberle ist seit Ende 2010 Vorsitzende des Stiftungsrates der Kunstschule Liechtenstein. Sie ist 54 Jahre alt, wohnt in Ruggell und ist als selbstständige Grafikerin tätig.