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Presseartikel

 
Mittwoch, 26. Mai 1999

Wenn es Tag wird in Ruggell - eine Rietexkursion

Nachbarschaftstreffen mit dem Ornithologischen Verein im Dreiländereck

Wann bin ich als Nachtmensch das letzte mal morgens um 4.30 Uhr aufgestanden? Und das unfreiwillig, denn am Pfingstmontagmorgen um 5.45 Uhr sollte ich in Ruggell sein und über die Exkursion des Ornithologischen Vereins ins Ruggeller Riet, dem Vogelparadies, berichten - rosige Aussichten!

Das gibt interessanten Privatunterricht, dachte ich, denn allzu viele werden "mitten in der Nacht" wohl kaum dort sein. Denkste! Über 150 Interessierte, jung und alt, standen erwartungsvoll um 5.45 Uhr bei der Vereinshütte des Ornithologischen Vereins in Ruggell, um am "Nachbarschaftstreffen im Dreiländereck" teilzunehmen. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Jubiläum 300 Jahre Liechtensteiner Unterland hatte der Verein zur traditionellen Pfingstmontagsexkursion auch die Nachbarn aus Österreich und der Schweiz eingeladen - und sie waren gekommen - die Liechtensteiner natürlich auch.

So viele Naturbegeisterte - das überraschte auch die Veranstalter. Da hiess es improvisieren. Felix Büchel, Obmann des Ornithologischen Vereins, bat die Fachleute unter den Anwesenden, die Führung mit zu übernehmen. So konnten statt der ursprünglich vorgesehenen drei nun fünf Gruppen gebildet werden. Die einen fuhren mit dem Bus zum Zollhaus und wanderten von dort zurück nach Ruggell; andere Gruppen nahmen den umgekehrten Weg und eine Gruppe wanderte über Bangs und zurück durch das Riet nach Ruggell. Hanno Meier, Hans-Peter Frick (Binding-Preisträger), Bernd Wurster, Georg Willi und Gregor Sieber führten dann die an der Vogelwelt Interessierten fast drei Stunden lang sachkundig durch das Riet.

Er kennt sie alle

Rosige Zeiten: Ein herrlicher Morgen, windstill, warm, leicht bewölkt; die Sonne geht auf und strahlt die Berge an. Ich schliesse mich der Gruppe um Georg Sieber an und erhalte, wie alle anderen auch, einen grossartigen Privatunterricht. So viel Natur hatte ich im letzten Viertel Jahr nicht erleben dürfen. Wir hören nicht nur den Kuckuck rufen, es singt und pfeift aus allen Bäumen, Büschen und Gräsern. Einmal sehen wir den Kuckuck sogar, mit seinem taubenähnlichen Kopf und dem Schwanz wie bei einem Falken. "Hier gibt es die verschiedensten Rohrsänger", sagt Georg Sieber. "In ihre Nester legt der Kuckuck mit Vorliebe seine Eier." Es ist unfassbar: Georg Sieber hört aus all dem Gezwitscher genau heraus, wer wo sitzt oder fliegt. Er sieht und erkennt die Vögel selbst dort, wo ich nur Grün sehe. "Da singt eine Wachtel; man hört sie nur, da sie sehr versteckt lebt."

Dann richtet er sein Fernrohr auf dem Stativ zielsicher ein - und auch ich kann sie erkennen, die Garten- und Mönchsgrasmücken, den Specht an einem abgestorbenen Baum am Kanal, diverse Laubsänger ("sie sind im Aussehen kaum zu unterscheiden, wohl aber im Gesang"), Buchfinken, die Mauersegler und Rauchschwalben, die Gold-, Grau- und Rohrammern, den Pirol, den man ständig hört, aber kaum sieht, da er in den höchsten Baumwipfeln singt, den Mäusebussard und sogar Turmfalken, wegen deren Anwesenheit die Drosseln heftig schimpfen. Ein Graureiher fliegt in Richtung Rhein, setzt sich auf die Spitze einer Tanne. Durchs Fernglas sehen wir etwa zwei Meter darunter das Nest mit zwei Jungen. Für einen Moment stiehlt ein Hase den Vögeln die Schau: Alle schauen seiner Morgengymnastik zu, seinem Rennen kreuz und quer über die Felder. Zum Abschluss laden uns mit Wiesenblumen geschmückte Tische zu einem Imbiss ein - ein herrlicher Morgen.